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Burnout 4.0 – der digitale Burnout

Für immer mehr Menschen ist das Mobiltelefon ein ständiger Begleiter. Ständig online, immer erreichbar – eine Dauerberieselung, die unser Seelenheil gefährdet. Der schnelle Blick ins Netz wird zur dauernden Versuchung. „Ich schaue eigentlich alle fünf Minuten auf mein Smartphone“, sagte eine 20-jährige Studentin. „Wenn es neben mir liegt und das Display bei einer neuen Nachricht aufblinkt, bekomme ich Herzrasen.“

Druckmittel Smartphone – immer verfügbar

Das Verhältnis zwischen Mensch und Handy ist symbiotisch geworden, denn fast jegliche Kommunikation läuft über soziale Netzwerke wie WhatsApp oder Facebook. Laufend neue Nachrichten auf dem Smartphone, immerzu blinkt es oder gibt es neue Push-Meldungen, der Chef möchte seinen Google-Kalender mit den unsrigen synchronisieren, und der Druck, antworten zu müssen, ist allgegenwärtig. Das ist nicht nur anstrengend, sondern führt auch zu manchen Streitereien, beispielsweise wenn mal nicht direkt geantwortet wird. Viele wünschen inzwischen oft, das Handy wäre kaputt, der Akku leer, oder man möchte einfach das Gerät, das zuerst so wichtig war, mit Wucht an die Wand werfen.

Digitaler Burnout – Verlust von Lebensglück

Seit einiger Zeit kursiert eine Diagnose für diesen Zustand: digitaler Burnout. Dabei sind sich die Wissenschaftler völlig uneins, was man darunter versteht. Einigkeit indes besteht darüber, dass es sich um einen Erschöpfungszustand handelt, der durch bewussteren Umgang mit dem Smartphone – zum Beispiel stundenweise oder für die Dauer eines Urlaubs ohne Handy sein – kuriert werden kann. In manchen Fällen ist sogar ein grundsätzlicher Berufswechsel sinnvoll. In ganz schweren Ausprägungen werden Menschen von Angstattacken, Panik oder Depressionen überfallen, wenn sie ihr Telefon nicht in der Tasche spüren. In den seltensten Fällen handelt es sich jedoch um behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen. Der Bonner Informatik-Professor Alexander Markowetz definiert in seinem gleichnamigen Buch den digitalen Burnout „als einen Zustand, in dem unsere massive Smartphone-Nutzung zu einer unmittelbaren Störung unserer Produktivität und einem Verlust an Lebensglück führt. Beides zusammen macht uns langfristig krank. Wir erleben einen geistigen Erschöpfungszustand, der vergleichbar ist mit dem Burnout, den ein Workaholic erleidet.“

Online-Zeit: Die Dosis macht das Gift

Eine Vielzahl von Medienwissenschaftlern und Hirnforschern beschäftigen sich deshalb mit der drängenden Frage: Wie viel Online-Zeit verträgt der Mensch? Oder um es mit Paracelsus zu sagen: Welche Dosis des virtuellen Dauerfeuers macht das Gift? Denn eine Studie der Humboldt-Universität Berlin zeigt, dass wir das Smartphone durchschnittlich 63-mal am Tag aktivieren, jede Sitzung 2:49 Minuten dauert, was insgesamt 2 Stunden und 57 Minuten Lebenszeit ergibt, die jeden Tag am Smartphone verloren wird.

Virtuelle Freunde – Was treibt uns an?

Soziale Netzwerke statt echter Freunde – die Verbindung zu den sozialen Kontakten der virtuellen Welt muss immer stehen. Abhängigkeit nennt man das in der Medizin. Was treibt uns soweit? Zwei menschliche Bedürfnisse: die Kommunikationslust und der Drang nach sozialer Anerkennung. Beides können die sozialen Netzwerke hervorragend befriedigen. Immer, ständig und überall. Sie locken viele Menschen immer wieder ins Internet, um die Zahl ihrer Kontaktanfragen zu kontrollieren. Menschen sehnen sich nach Wertschätzung und Aufmerksamkeit. In den sozialen Netzwerken wird ihnen suggeriert, ihre Beliebtheit sei messbar anhand der Zahl ihrer Freunde, Likes und Follower, sagt der Psychotherapeut Bert de Wildt, der an der Uniklinik Bochum Internetsüchtige behandelt. Zudem erbrachten Forscher der Universität Harvard den Beweis, dass durch die Wahrnehmung von Messages und Likes ähnliche Belohnungsmechanismen in Gang gesetzt werden wie beim Essen, Gewinnen und Sex. Für Informatik-Professor Alexander Markowetz ist das Smartphone deshalb im Prinzip so etwas wie ein „Geldspielautomat im Hosentaschenformat“. Der Fall des Fahrdienstleiters von Bad Aibling, der mutmaßlich durch sein Spielen auf dem Smartphone das Zugunglück verschuldet hat, ist ein tragisches Beispiel.

Der Kreislauf der Sucht

Doch das Verlangen nach Gewinn und der Pseudonähe in der virtuellen Welt reduziert Kontakte in der Wirklichkeit – das kann sich zu einem Kreislauf der Sucht entwickeln. Gerade Menschen, die sich in ihrem Körper unwohl fühlen und sich selbst für Außenseiter halten, weil sie nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, vermeiden wirkliche Kontakte. Sie fühlen sich unsicher, weil der Verlauf realer Begegnungen unsicher ist. Im Internet können sie ihren Auftritt kontrollieren, ihre Identität manipulieren und sind Herr des Geschehens.

Verpasste Chancen & der Verlust von Qualitätszeit

Dass sie in der virtuellen Welt den wahren Charme unmittelbarer Begegnungen verpassen, ihrem Gegenüber zum Beispiel in die Augen zu sehen, einen Menschen riechen können oder ein Gefühl für ihn bekommen, machen sich viele gar nicht mehr klar. Und bei der Bewerbung um einen Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz kann ihr Internetauftritt schnell zum Bumerang werden.

Das Mobiltelefon, als Computer für die Hosentasche, ermöglicht dem Menschen die totale Vernetzung mit immer neuen Reizen und Informationen. Darum erscheint es vielen unersetzlich. Zugleich aber fühlen sich viele bedrängt von all den Nachrichten, gestresst von der ständigen Erreichbarkeit. Sie pflegen eine Hassliebe zu ihrem Mobiltelefon, können davon nicht lassen, erleben aber die Verzettelung ihres Lebens und spüren, wie das Gerät ihnen die Konzentrationsfähigkeit und das Gefühl von Erfüllung raubt. Benötigt wird ein neues Gefühl für die Qualität von Zeit – und insbesondere eines für die Notwendigkeit von Qualitätszeit.

Im Rahmen meiner vielfältigen Therapie-Angebote unterstütze ich Sie gerne bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten und den dazu passenden Wegen und freue mich auf Ihre Anfrage.

 

Herzlichst

Ihre Petra Stolle